22. Juli 2013

Bye-Bye Philadelphia

„Twenty-hundred is departure-time“, sagt der Käptn beim Nachtessen. Um 20 Uhr ist Abfahrt. Bis dahin sind’s noch zwei Stunden. Könnte knapp werden, wenn man sieht, was da alles auf dem Pier steht und noch an Bord sollte. Aber die Bootsleute lassen sich davon nicht beirren. Mit Hochdruck zwar, aber trotzdem ruhig und besonnen, verrichten sie ihre Arbeit. Da sitzt jeder Handgriff, jedes Zeichen, jeder Zuruf. Und tatsächlich: kurz vor halb acht ist auch das letzte Teil an Bord. Die mächtigen Kranausleger werden eingefahren und auf dem Deck gesichert. Was mit einem kräftigen Rumpeln einhergeht und das Schiff erzittern lässt. Der Lotse kommt die Gangway herauf: Wir sind „ready to go“. In der Zwischenzeit hat sich auch ein Schlepper in Stellung gebracht. Der Grund: die „Rickmers Seoul“ liegt im Moment noch falsch. In Steisslage sozusagen. Eine Spitzkehre ist notwendig, damit wir stromabwärts, Richtung Philadelphia Downtown losfahren können.

So ein Manöver ist immer wieder faszinierend; mit dem Bugstrahler stösst sich das Schiff vorne seitwärts vom Pier ab, und wenn es dann querab liegt, fängt der Schlepper hinten seitlich an zu drücken. Keine 10 Minuten dauerts, und wir liegen richtig. Der Käptn gibt Schub, und wir fahren im schmalen Kanal auf die grandiose Skyline von Philadelphia zu. Die Fahrt ist so spektakulär wie noch selten: auf Steuerbord (also rechts) ziehen schöne, alte Docks (leerstehende Lagerhäuser) vorbei, diverse noble Restaurants, ein kohlebetriebenes Elektrizitätswerk, ein Hafen mit teuren Segelyachten und vieles mehr. Backbord liegt ein Kriegsschiff vor Anker, an dem zwei grosse Tanker vorbeifahren. Über den Kanal spannt sich in weitem Bogen eine gewaltige Hängebrücke, und dahinter, als überdimensionale Kulisse gewissermassen, grüssen die hellerleuchteten Wolkenkratzer von Downtown Philadelphia herüber. Sensationell, und mit Worten kaum zu beschreiben.